Samstag, 8. Januar 2011


Vor kurzem habe ich eine Geschichte über das Leben eines Gummibärchens geschrieben. Auf die Idee bin ich durch dieses Foto gekommen, das ich im Sommer 2010 gemacht habe. Heute ist sie auch auf der Jugendseite Scenario erschienen :)
 
Eingepfercht auf engem Raum saßen sie alle zusammen. Sie waren 
Die Scenario-Seite von heute. (http://www.scenario4u.de/)
fast vierzig, aber keinen störte die Enge. Ein wenig gemütliches Beisammensitzen, Kontakte knüpfen. Marie wusste, dass sie sowieso bald woanders sein würde. Ihre Mama hatte ihr das erzählt. Aber nicht, wohin die Reise sie führen würde und bevor sie weiter nachfragen konnte, war sie auch schon hier gelandet. Plötzlich ruckelte alles und sie und ihre Mitreisende wurden unsanft hin und her geschüttelt. Es hörte gar nicht mehr auf, auch wenn es kurze Unterbrechungen gab. Immer wieder wurden sie in Bewegung gesetzt. Von Gemütlichkeit war auf keinen Fall mehr zu sprechen. Eine regelrechte Panik brach aus, denn niemand wusste, was hier passierte. Marie hatte Angst, sie wollte nur zu ihrer Mama zurück, die doch gesagt hatte, alles wäre nicht so schlimm. Plötzlich senkte sich die Decke über ihr, Marie schrie. Und das wäre wohl ihr Ende gewesen, wenn nicht der Bär neben ihr sie zur Seite gezogen hätte. Dort, wo sie noch vor einer Sekunde gestanden hatte, berührte nun die Decke den Boden. Ein furchtbares Schauspiel und Marie fing an zu weinen. „Beruhige dich doch. Nichts ist passiert“, sagte der Bär, der ihr das Leben gerettet hatte. Der machte wohl Scherze! Sie hätte fast ihr Leben verloren, von ihrer Familie war sie sowieso schon getrennt und hatte keine Ahnung, wohin dieser Weg sie führen würde. „Das meinst du doch nicht ernst! Mein Leben ist im Eimer!“, schluchzte sie. „Ich will zu meiner Mama, ich will wissen wo es hingeht und ich will wissen, warum das Alles ausgerechnet mir passieren  muss.“ Der Bär lächelte wissend. „Komm, ich versuche dir das zu erklären.“ Marie war verwirrt. Wieso konnte ihr jemand Fremdes erklären, was dieser Horror zu bedeuten hatte? Aber sie wusste, wenn sie ihm keine Chance zu erklären gab, würde sie erstens niemals das erfahren, von dem ihre Mutter wohl schon gewusst hatte und zweitens wäre sie wieder allein. Denn auch wenn sie mit vielen Bären, ihr ähnlich und verschieden, zusammen war, fühlte sie sich die ganze Zeit allein. Schließlich waren das alle Fremde, die sie nicht kannten und von denen sie nichts wusste. Es war ein schönes Gefühl, dass sich jemand freiwillig um sie kümmerte und so nahm sie die ausgestreckte Pfote des grünen Bärs und er führte sie quer durch das ganze Quartier. Im Vorbeigehen sah sie die anderen, viele von ihnen wussten ebenfalls nicht, was mit ihnen geschah. Man sah das an ihren Gesichtern, genauso wie an ihrer Haltung. Einige hatten sich in Grüppchen zusammengesetzt und redeten. „Sicher denken die sich wahnwitzige Theorien aus, wie und warum wir hier sind“, erzählte Marie dem Grünen. „Vielleicht“, sagte der. „Vielleicht spielen sie auch Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst.“ Der war schon ganz schön seltsam. „Das glaube ich eher weniger. Als wenn das hier so schön wäre!“  Wieder lächelte der Bär an ihrer Seite. Langsam fing diese Überlegenheit an, Marie auf die Nerven zu gehen. „ Hör mal zu, wenn du doch über alles so toll Bescheid weißt, warum sagst du mir dann nicht einfach die Antwort auf den ganzen Mist und lässt mich in Ruhe? Ich weiß gar nicht was das Alles soll.“ „Wir sind da“, stellte der jedoch nur fest, bevor Marie weiter schimpfen konnte. Die beiden standen dort, Hand in Hand, vor einer Art Fenster. Der Rahmen des Fensters war mit Portraits geschmückt. Am meisten beeindruckte Marie das Bild eines riesengroßen Bärs.  Er sagte etwas. Zumindest war an dem Fenster eine Sprechblase, die auf das Bild zeigte.  Man konnte nicht sehen, ob auf der anderen Seite etwas stand. Eigentlich war es ja auch egal. Marie interessierte nur, was der Grüne zu sagen hatte. „Also?“, fragte sie. „Guck doch mal raus“, sagte der Bär. Okay, dachte Marie, wenn er das so will. Direkt ist wohl nicht so seine Art. Sie sah aus dem Fenster. Das Schaukeln hatte aufgehört, so dass sie alles in Ruhe beobachten konnte. Sie befanden sie anscheinend auf einer hölzernen Ebene. Leider ziemlich am Rand und Marie konnte erkennen, dass der eigentliche Boden sich ein ganzes Stück unter ihnen befand. Ihr wurde schon ganz schwindelig, also wendete sie den Blick ab und sah sich Auge in Auge mit einem wahren Ungetüm. Es hatte riesige blaue Augen, eines von ihnen war schon größer als Marie komplett. Der Schlund, zu einer seltsamen Grimasse verzogen, war noch viel, viel größer. Sie schrie angesichts dieses Wesens mit blondem Haar, das in zwei Zöpfen von dem gigantischen Kopf herunterhing. „WAS ist das?!“ Marie war entsetzt. Es konnte doch nicht wahr sein, dass sie sich DAS ansehen sollte. „Das ist ein Mensch“, war die Antwort. „Aha. Und warum ist es so furchtbar und angsteinflößend?!“ Maries Stimme hörte sich immer noch ein wenig hysterisch an. „Sie lächelt“, sagte der Bär neben ihr verdutzt. Er hatte offensichtlich überhaupt keine Angst vor diesem „Menschen“. „Und das nur wegen uns“, erklärte er stolz. „Aber warum…?“ Das alles verwirrte Marie immer mehr. „Das ist unsere Aufgabe. Menschen glücklich machen, wenigstens für den einen kleinen Moment, in dem sie uns essen.“ „SIE ESSEN UNS?!!“ Marie fand das alles nicht mehr lustig. Sie lebte doch nicht, um von solchen Ungetümen gegessen zu werden. Der grüne Bär war sicher übergeschnappt. Das musste es sein, er ist einfach verrückt geworden. „Hat man dir das nie erklärt? Wir helfen ihnen, besonders die Kleinen lieben uns und Erwachsene mögen uns auch immer noch gerne. Ich glaube, dass das so ist, weil sie sich daran erinnern, dass sie auch mal klein waren. Oder weil wir einfach so lecker sind ;). Es macht sie glücklich und sie verbinden etwas mit uns“ Bevor Marie etwas auf diese irrsinnige Theorie erwidern konnte, riss der Raum, in dem sie sich befanden, mit einem mal auf. Das erste was Marie hörte, war dieses Lachen des „Menschen“, den sie grade noch sicher von der anderen Seite des Fensters aus gesehen hatte, ohne Ton. Seltsamerweise machte es ihr keine Angst. Im Gegenteil: Sie wusste jetzt, dass dieser Mensch wegen ihr lachte. Und es freute sie. Das hätte sie nie erwartet. Vielleicht hatte der grüne Bär ja doch Recht. Und sicher macht es auch glücklich, glücklich zu machen. Jetzt fing Marie an zu lächeln. Hoffentlich erging es ihrer Mama auch so, wo immer sie auch war. „Siehst du, ich bin doch nicht verrückt.“, sagte der Grüne. „Stimmt“, sagte Marie. Und Hand in Hand strahlten sie das Mädchen an, genauso wie es sie anstrahlte.

1 Kommentar:

"Fotografieren heißt den Atem anzuhalten, wenn sich im Augenblick der flüchtigen Wirkung all unsere Fähigkeiten vereinigen.
Kopf, Auge und Herz müssen dabei auf einer Linie gebracht werden. Fotografieren, das ist eine Art zu schreien,
nicht aber, seine Orginalität unter Beweis zu stellen. Es ist eine Art zu leben."
Henri Cartier-Bresson
"Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht aus seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht."
Oscar Wilde
"Ihr aber seht und fragt: Warum? Aber ich träume und sage: Warum nicht?"
George Bernard Shaw

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